Stilistisches Triptychon

Stilistisches Triptychon

        Drei Wandskulpturen jeweils ca. 30 cm x 30 cm Paperclay, kollageartig kombiniert mit                     Eisendrähten, vulkanischem Gestein, Tonscherben oder Glas. Bemalt mit Glasurfarben,                    gebr. bei 1050 °C                                                                                                      2021

Vor abstrakte Kunstwerke darf man sich nicht stellen mit der Erwartung, dass sie eine klar sichtbare, konkrete Bedeutung anbieten, eine für alle BetrachterInnen gleiche Geschichte erzählen oder eine eindeutige Sinnerklärung lesbar machen. Das aber ist für die meisten von uns ein Problem. Ob von Natur aus oder durch unsere Erziehung  -  wer weiß das schon  -  sind wir eine notorisch verbale Spezies. Wir glauben, wir müssten immer gleich alles erklären. Wir können wohl nicht anders. Für die Rezeption abstrakter Kunst ist dies keineswegs eine hilfreiche Vorgehensweise. Abstrakte Kunstwerke sollen nicht nur, sie müssen Intuition und assoziative Kraft in den BetrachterInnen wecken und stark machen. Gelingt dies dem Kunstwerk, dann eröffnet es einen intuitiven Zugang, der ein bisher nicht erfahrenes emotionales Erlebnis ermöglicht. Die Stärke abstrakter Kunstwerke liegt dabei unter anderem in der Tatsache, dass  dieses Erleben für jeden Menschen gänzlich unterschiedlich ausfällt, abhängig von seiner individuellen Persönlichkeit, seinen biografischen Erfahrungen und seinem Gemütszustand zum Zeitpunkt des Betrachtens. Es ist nicht wirklich nötig, das wir unsere persönlichen Empfindungen eines abstrakten Kunstwerkes sofort in Worte kleiden. Entsprechend könnte ich diesen Gedanken nutzen, um an dieser Stelle meine Kommentierung der drei vorgestellten Arbeiten zu beenden. Aber nein, ich werde dennoch eine Würdigung versuchen.

 

   Die drei hier gezeigten Wandreliefs sind ursprünglich nicht zusammen erarbeitet worden. Es gab keine planende Gesamtidee. Dennoch haben sie soviel gemeinsam, dass ich als Kurator der Arbeiten von B.Chr.K.Barten beschlossen habe, sie als ein Kunstwerk gemeinsam aufzuhängen. Man kann sie natürlich auch einzeln, getrennt voneinander betrachten, aber für mich liegt ihr Reiz in den gemeinsamen ästhetischen Merkmalen, die sie für mich zu einem Werk zusammenschmieden. 

 

   Ihr auffälligstes gemeinsames Merkmal ist natürlich ihr Format mit dem bei allen drei Teilen gleichermaßen erhabenen Rand. Die eigentliche "Leinwand" liegt also jeweils in einer Vertiefung, die untereinander einigermaßen kongruent sind. In allen finden sich als ein bestimmendes gestalterisches Merkmal Drähte, die mit Tonschlicker ummantelt sind. Ohne diesen Metallkern wären diese Tonfäden, die für dieses Material erstaunlich zart beinahe frei in der Luft schweben, nicht möglich. So aber ergibt sich eine Art mit Glasurfarben bemaltes Tongespinst. Allein diese technische Besonderheit befördert die Idee einer Gemeinsamkeit, die Idee, dass sie zusammen gehören. 

 

   Alle drei Arbeiten transportieren dabei so etwas wie die Idee des Verfalls, oder die Idee vom Unheimlichen des Vergänglichen. Dabei vermittelt es nichts Depressives. Eher schaut man fasziniert hin, um für sich heraus zu finden, worum es sich bei diesen Gebilden handeln könnte. Diese Art Neugier, die durch den Charme von Verfallendem geweckt wird,  wird  von allen drei Arbeiten geschürt. 

 

   In der linken Arbeit glaubt man z.B. die Gräten zu erkennen, die beim Verzehr eines Fisches übrig geblieben sind. Vielleicht erkennt man aber auch die von Muscheln überwucherten Plankenreste eines Schiffwracks. Im mittleren Tableau sieht man vielleicht eine Art Modermann emporsteigen, wenn man Kate Mortons Roman Die fernen Stunden noch in Erinnerung hat. Auf Nachfrage erfährt man, dass es sich bei dem Klumpen im Zentrum um vulkanisches Material handelt, das eingearbeitet wurde. Das rechte Tableau wirkt ein wenig wie die beim Aufräumen vergessene Ecke eines Schrottplatzes. Hier findet sich unter dem Drahtgespinst ein Scherben, der mal zu einer grün glasierten Vase gehörte. Reste von rotem Glas verstärken diesen Eindruck von Überbleibseln.

 

   Eine weitere Gemeinsamkeit aller drei Tableaus ist der Einsatz der Farbe. Glasur im keramischen Sinne besitzt nur der im rechten Tableau eingearbeitete grüne Scherben. Alles anderes, von den Flächen bis zu den dünn mit Schlicker besetzten Metalldrähten sind mit Pinseln bemalt worden, so als handle es sich um eine Leinwand.  Ganz besonders auffällig zu erkennen ist der dafür notwendige Pinselstrich im rechten Tableau, aber in allen dreien erkennt man die ordnende Hand einer mit einem Pinsel malenden Künstlerin.

 

   Eine weitere ästhetische Gemeinsamkeit findet sich in dem gezielten Einsatz grafischer Elemente, die die drei Tableaus wie eine formale Klammer zusammen halten. Diese Hervorhebung des Linienhaften als Gestaltungselement führt in allen drei Reliefs aus der Bildebene heraus in die dritte Dimension, so dass durch die optische Betonung der Idee eines Hochreliefs ein weiteres ästhetisierendes Gestaltungselement zur gedanklichen Klammer wird. 

 

   Im Ergebnis entsteht so bei aller Eigenständigkeit der drei Wandreliefs der Eindruck eines Art Triptychons zum Thema Vergänglichkeit, auch, wenn es ursprünglich nicht geplant, und schon gar nicht gewollt war. Die Interpretation durch den Kurator führte zu dieser Hängung in der Galerie-EinMalig!.

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