Ikonografisches

Ikonografisches

        Paperclay weiß brennend    52 cm x 40 cm (B x H)    5 - teilig    Bemalt mit Glasurfarben                      Gebrannt bei 1060 °C                                                                                     2021

          Wir sind  im  digitalen  Heute  überall  von  Icons  umgeben.  Wir  navigieren  durch  das  World Wide Web  mit  Hilfe  von  Icons, als hätte es nie etwas Anderes gegeben.  Icons  greifen  zurück  auf  uralte  Zeichen,  die  die  frühen  Menschen  noch  vor  der  Schrift  als Mittel der Kommunikation und Überlieferung entwickelten.  Icons  sind  der  direkte  kommunikative Weg  irgendwohin. Schon  die  Höhlenmalereien  etwa  in  Lascaux  oder  Altamira  waren  mehr  als  realistische  Abbilder wilder Tiere.  Vor- und FrühgeschichtlerInnen sind  heute  sicher,  dass  es  sich  um  ikonografische  Botschaften  oder  Aufforderungen  - für wen auch immer - handelte. 

 

        Die  Wandplastiken  von  Brigitte  Barten  greifen  auf  diese  uralte  Form  der  schriftlichen  Kommunikation  zurück.  Ihre  Wandplastiken  sind  angefüllt  mit  Icons. Sie sind ein typischer Teil ihres bildnerischen Vokabulars. So  vermischt  sich  in  ihren  Arbeiten  Uraltes  mit  Hochmodernem.  Ihre  Einzelsymbole  sind  simpel  und  direkt  erkennbar  in  ihrer  formalen  Gestalt. Dennoch sind sie nicht selbst erklärend wie z.B. ein Ampelmännchen. Bedeutung  erlangen  sie  erst  im  Zusammenspiel  aller  Symbole  und  Icons  auf  ihrer  besonderen,  keramischen   Leinwand. Die ihnen innewohnende Bedeutung ist dabei abhängig vom ganz persönlichen Erfahrungshorizont der BetrachterInnen. Für jeden Einzelnen erzählen ihre Bilder eine eigene Geschichte. So reihen sich diese Arbeiten der Künstlerin ein in die uralte Tradition von Wandzeichnungen, die zurück reicht bis in die Steinzeit und die jeder selbst entschlüsseln muss.  In  ihren  Arbeiten  findet  sich  so  ein  ganzes  Alphabet  von  Piktogrammen,  manche  mehr  zweidimensional  geritzt  und  bemalt,  andere  mehr  dreidimensional.  Icons  bieten  Information,  geben Anweisungen, transportieren Botschaften. Häufig  fordern  sie  den  Betrachter  auch  zum  Handeln  auf. oder sie bieten zumindest dafür Motivationshilfen an.  Auf  diesem  Wege  treten  Betrachter  dieser  Wandreliefs  in  einen  persönlichen Dialog  mit  der  Künstlerin. Die einzelnen von ihr eingesetzten bildnerischen Elemente erinnern an die Nähe zur Küste, in der die Künstlerin den größten Teil ihres Erwachsenenlebens verbracht hat. Dies setzt natürlich voraus dass man selbst Erinnerungen an diese Art von Landschaft in sich trägt. Selbst die aus brenntechnischen Gründen notwendigen Schnitte der Grundplatte spiegeln den Schwung der Wellen, der gebogenen Küstenlinien, der ewigen Bewegung von Wind und Wellen wider und werden so zum Teil des Ganzen.  Diese  Mischung  aus  uralter  Ikonografie  und  digitaler  Symbolik  erklärt  sicher  zum  Teil  den  Reiz,  der  von  den Wandplastiken  dieser  Künstlerin  ausgeht, zumal viele von uns die Küstenlandschaft wenigstens aus der Urlauberperspektive erinnern.

 

          Richard David Precht thematisiert in seinem jüngsten Buch über künstliche Intelligenz und den Sinn des Lebens den nicht mehr zu leugnenden Tatbestand, dass moderne wissenschaftliche Denkkategorien wohl nicht ausreichen, um die Menschheit zu retten. In ikonografischer Bildsprache kommt möglichweise eine Form des Denkens besser zum Ausdruck, die mit dem Begriff Weisheit umschrieben werden kann, einer Denkweise, die dem Menschen früherer Zeitalter wohl selbstverständlicher zur Verfügung stand, als dem modernen Homo Sapiens des 21. Jahrhunderts. Vielleicht hilft ikonografische Bildersprache, uns wieder mit unseren Wurzeln menschlicher Denkformen zu verbinden. Diese Sehnsucht nach dem Verstehen der Wurzeln des Menschseins lässt uns dann auch vor Kunstwerken verweilen, die uns mit ikonografischer Bildsprache in diesem Sinne berühren, sozusagen als quasi mythische Erinnerung an einen Teil unserer kulturellen Wurzeln. Wenn das Betrachten von Kunst uns wenigstens nachdenklich innehalten lässt, dann ist vielleicht schon ein kleiner Schritt getan richtung Verbesserung menschlichen Denkens und Handelns. In diesem Sinne kann auch ikonografisch sich ausdrückende Kunst zu einer politischen Kunst werden, selbst wenn es von der Künstlerin nicht das Ziel war.

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