Wandskulptur ohne Titel

Abstraktes Wandbild

                            Wandskulptur  6-teilig  Paperclay schamottiert, weiß brennend,                                                          kollageartig  verarbeitet  mit Schrottelementen und einem Stein-                                                        rest.  Bemalt mit Glasurfarben.  Mehrfach  gebrannt bei 1060 °C                                                               58 cm x 45 cm (B x H)                                          2020

   Folgt man dem Grundansatz des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard (1813-1855), dann sorgt sich der Einzelne  vor allem um sich selbst. Die Existenzphilosophie, als deren Wegbereiter der Däne gilt, beschäftigte sich mit dem Sinn des Lebens aus der Sicht des Einzelnen.

 

   Moderne Kunst hat immer auch etwas mit der eigenen Existenz zu tun, Kunst ist permanent damit beschäftigt, eine Antwort zu finden auf die Frage "wie nehme ich mich selbst und mein In-Der-Welt-Sein wahr". Gerade die abstrakte Kunst bietet dem einzelnen Betrachter/der einzelnen Betrachterin in diesem Sinn ein weites Feld und macht sie deshalb als Gattung für Bildende KünstlerInnen dann attraktiv, wenn sie dem Einzelnen mit ihrem Kunstwerk nicht Ihre Meinung vorsetzen wollen, sondern BetrachterInnen die Chance bieten wollen, sich selbst in der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk wiederzuerkennen. Mir ist Kierkegaard schon deswegen sympathisch,  weil er sich gegen die Mainstreamtrends des 19. Jahrhunderts stellte. Sein Grundsatz ist im 21. Jahrhundert aktueller denn je.

 

   Auf die Frage, wie Menschen  sich selbst wahrnehmen, gibt es natürlich auch heute keine objektiv richtige Antwort. Im Bereich der Empfindungen ist nur meine subjektive Antwort wahr. Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht. Jede Reaktion auf Kunst ist einzig aus subjektivem Empfinden und persönlichen Erfahrungen ableitbar. Das gilt natürlich auch und ganz besonders für die Rezeption von abstrakter Kunst. Allgemeingültige Normen hinsichtlich dessen, was gute Kunst ausmacht, haben sich spätestens seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr verflüchtigt. Sie sind zunehmend ersetzt worden durch die subjektive Kraft, die von einem Kunstwerk ausgeht. Diese Kraft zu messen ist naturgemäß unendlich schwierig. Es gibt keine verbindliche Maßeinheit für gute abstrakte Kunst. Messen kann man nur die Reaktionen einzelner BetrachterInnen. Man nutzt also ein statistisches Verfahren. So kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen, ob es sich bei einem Kunstwerk um gute Kunst handelt oder vielleicht doch nicht. Da jede Statistik über die Erhebung der zu Grunde gelegten Rohdatren manipulierbar ist, haftet dieser Messmethode naturgemäß immer auch etwas Subjektives an. 

 

   Unter dieser Prämisse beginnt immer die Bewertung der Arbeiten von B.C.Barten. Auch Sie kennen Folgendes: Es gibt Bücher, die man nach einmaligem  Lesen gleich zu einer Bücherkiste bringt, weil man weiß, dass man nie wieder danach greifen wird...Und es gibt Bücher, nach denen man immer wieder greift. Im Bereich der bildenden Kunst gehören die Arbeiten dieser Künstlerin fraglos zur zweiten Kategorie. Man schaut sie immer wieder, und mit immer wieder anderen Fragen an, ohne sich zu langweilen. Kierkegaards Theorem, dass nur das Subjektive wahr ist, bestätigt sich auch in der Rezeption der abstrakten Kunstwerke von B.C.Barten. Die ungewohnte Kombination von Ton und Schrottelementen aus Eisen irritiert im ersten Moment, weil diese Kombination nicht zu Erfahrungen gehört, die wir mal eben aus der Erinnerung abrufen können. Aus Irritation kann Ablehnung, aber auch Neugier erwachsen. Bei den entsprechenden Arbeiten von B.C.Barten überwiegt statistisch durch den ersten Gesamteindruck die neugierige Reaktion. Der allererste Eindruck wirkt wie ein gut gemachter Klappentext eines Buches, der einen zum Kauf bewegt. Damit hat man die Entscheidung getroffen, sich die Zeit zum Lesen zu gönnen. Vergleichbares geschieht bei der Betrachtung dieser Wandskulptur. Man schaut  sich die Wandskulptur nun genauer an und wird von dem ästhetischen Reiz der formal dreidimensionalen Gestaltung der Bildoberfläche gefangen genommen. Man geht auf Entdeckungstour. Man entdeckt verbogene Nägel, Drahtstücke, Reste von Maschendraht, Schrauben, Bohrer und weitere nicht genau definierbare Eisenschrottkleinteile. Ergänzt werden die Schrottelemente durch zwei Reste von Ziegelsteinen. Daneben finden sich auch aufgearbeitete keramische Einzelelemente. Beim Betrachten aus der Nähe wird man sich auch des ausgefeilten Einsatzes der Glasurfarben bewusst, die den ästhetischen Gesamteindruck mit tragen. Auch die Führung der Schnittlinien unterliegt erkennbar nicht dem Zufall. 

 

   Viele Wandskulpturen von B.C.Barten durchweht ein Hauch von Vergänglichkeit, der aus der Verwendung von Schrottelementen und Steinfragmenten gespeist wird. Die Metallschrottelemente sind verbogen, zerrissen, nicht mehr für ihre ursprünglich gedachten Anwendung verwertbar. Verstärkt wird dieser Eindruck durch deren tendenziell schwärzliche, irgendwie unglatte Oberfläche. Dieser Effekt entsteht durch den Brand der Keramik bei über 1000 °C. Die Eisenelemente bekommen bei dieser Temperatur eine Zunderschicht. So entsteht ein Bildeindruck, der unter anderem von ausgeprägt grafischer Linienführung geprägt ist. Ein weiteres grafisches Element gewinnt diese Wandskulptur durch die Schnittführung, die das Gesamtwerk in einzelne Teile unterteilt wie die einzelnen Kapitel einen Roman. So macht die Künstlerin aus der brenntechnischen "Not" eine künstlerische Tugend. Da die Grundfläche ihres Brennofens das Brennen einer so großen Platte in einem Stück nicht erlaubt, nutzt sie die Linienführung der Schnitte als ein gestalterisches Element, statt die Platte einfach in rechteckige oder quadratische  Fliesen zu unterteilen.  Dieser Eindruck einzelner Kapitel, die zusammen eine Erzählung ergeben, wird durch den Einsatz der Glasurfarben verstärkt. B.C.Barten glasiert ihre Einzelteile nicht wie Fliesen, sondern sie bemalt sie mit diversen Pinseln und Malhörnchen, schwämmelt die Glasurfarben, wo es ihr sinnvoll erscheint, oder setzt zusätzlich Sprühtechniken ein. Nicht anders arbeiten MalerInnen auf einer Leinwand, nur dass sie/er die Farben auf der Palette vormischen. B.C.Barten macht dies auf der aus Ton ausgewalzten Grundplatte, die ihr als Leinwand dient. Im Ergebnis erhält jedes Einzelteil eine eigene Farbwirkung, die sich zu einem Gesamtfarbeindruck ergänzen. Nebenbei entsteht so auch der vage Eindruck eines möglichen Neubeginns, der vor allem auf dem Einzelteil oben links erzählt wird. die glänzenden grünlichen Kugeln und die ebenfalls grünen Tonelemente, die sich aus den kleinen Maschen des Einzelelements aus Maschendraht an die Oberfläche kämpfen, können als der Beginn von etwas Neuem gedeutet werden, das Grund zur Hoffnung erweckt.

 

   Die Idee von Vergehen und Werden findet sich so einmal mehr in einer der Arbeiten der Künstlerin, obwohl sie immer wieder betont, dass dies weder ihre Absicht war noch ist. Sie denkt nach eigener Aussage in rein abstrakten Kategorien, und so erstellt sie auch ihre Arbeiten. Wer Vergnügen am Betrachten abstrakter Kunst als solcher hat, wird genauso zufrieden gestellt, wie diejenigen, die gerne eine begrifflich formulierbare Deutung in einem Kunstwerk zu finden erwarten. B.C.Barten erfüllt mit ihren Arbeiten so die Erwartungen vieler BetrachterInnen. Statistisch bewertet zählen ihre Arbeiten zur guten Kunst.

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