Moby Dick

Moby Dick

       Wandskulptur  2021 51 cm x 41 cm (B x H) Paperclay  weiß brennend,                                                schamottiiert. Bemalt mit Glasurfarben, Engoben und Sinterengoben.                                                 Gebrannt bei 1060 °C                                                                  2021

Menschen sind erzählende Wesen. Geschichten zu erzählen gehört zu unserem Selbstverständnis als Homo Sapiens. Unter anderem deswegen schreiben und lesen wir belletristische Bücher. Die bildende Künstlerin B.Chr.K.Barten schreibt keine Texte, sie entwirft Bilder in Form von Wandskulpturen, in denen sich - nach Aussagen der Künstlkerin ungeplant - Geschichten verbergen. Beim Anschauen wird die/der Betrachtende  zum Geschichtenfinder; oder anders ausgedrückt: im Vorgang des Betrachtens wird man  selbst zu einem/einer Geschichtenerzähler/in. Dieser Aspekt des Aufbaus ihrer Wandskulpturen erklärt zum Teil den Reiz, der von ihren Arbeiten für BetrachterInnen ausgeht.

   

   Als Geschichten erzählende Wesen agieren wir vornehmlich emotional. Emotionales Denken und Handeln macht einen Großteil unseres täglichen Lebens aus. Homo Sapiens ist in weiten Teilen seines Wesens kein aristotelisches Animal Rationale. Auch deswegen punkten die Wandskulpturen bei vielen BetrachterInnen. Sie appellieren nicht an die Vernunft, sondern an die Emotionalität, also an unserer Seele. Da jede Seele eine eigene Biografie aufweist, gibt es auch nicht die eine, richtige oder beste Erzählung für die Interpretation dieser Wandskulpturen. 

 

   Dennoch hilft die Künstlerin ihren BetrachterInnen. In sehr vielen ihrer Arbeiten bestimmen maritim wirkende Elemente die Bildersprache. Bei aller Abstraktion erinnern sie an so etwas wie Bootskörper, Segel, Masten, an Bewegung von Wellen, an mythische Wesen und Seeungeheuer. Beleuchtet wird die Szenerie von Formen, die uns an den Erdtrabanten erinnern. 

 

   Die Sentenz "In die selben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht" des vorsokratischen griechischen Philosophen Heraklit von Ephesos lässt sich auch auf das Betrachten dieser Wandskulpturen abwandeln zu "Vor den selben Wandskulpturen stehen wir und stehen wir nicht." Wenn wir vor dem selben Bild stehen, so tun wir dies doch mit einer vom jeweiligen Moment abhängigen, ganz unterschiedlichen Emotionalität. Entsprechend unterschiedliche Geschichten gehen uns dann durch den Kopf, obwohl wir objektiv vor dem selben Bild stehen.

 

   Herakli wandte sich in seiner Philosophie  gegen die aus seiner Sicht oberflächliche Realitätswahrnehmung durch die meisten Menschen seiner Zeit. Gleiches kann man natürlich heute auch für die Rezeption von Kunst, besonders von abstrakter Kunst, anmerken. Jede gute Kunst, speziell aber  abstrakte Kunst, kann man nicht mit oberflächlicher Aufmerksamkeit betrachten. Das gilt ganz entschieden auch für die Wandskulpturen von B.Chr.K.Barten. Dieser über 2000 Jahre alte kritische Ansatz gilt natürlich auch in der heutigen Zeit, in der wir uns im Sekundentakt durch die Bilderflut des World Wide Web zappen. Wir geben Bildern so kaum noch die Chance, uns zu verzaubern, z.B. durch eine Geschichte, die wir uns durch das Betrachten eines Bildes entlocken lassen  - im Fall von B.Chr.K.Barten eben durch eine Wandskulptur.  

 

   Eine andere, typische Arbeitsweise der Künstlerin findet sich auch in dieser Wandskulptur wieder. Aus brenntechnischen Gründen muss sie ihre Arbeiten zerschneiden. Die Grundfläche ihres Brennofens erlaubt nichts anderes. Sie zerschneidet ihre Wandskulptur erst ganz zum Schluss, nachdem die plastische Gestaltung fertig ist. Sie legt die notwendigen Schnitte dann so an, dass jedes Einzelteil eine eigene kleine Geschichte erzählt. Man könnte das hier besprochene Relief auch in vier Einzelteilen getrennt voneinander auf eine Wand bringen. Jedes Teil erzählt dann sozusagen ein Kapitel einer Geschichte.  Die vier Einzelbilder wären dann nicht alles Rechtecke, die man nebeneinander aufhängen könnte, sondern man könnte eine ganze Wand damit formal gliedern und gestalten. Jedes Kapitel oder Bild hätte dann eine eigene, unregelmäßige äußere Form und eine eigene Farbigkeit. Hans Arp, ein zu den Konstruktivisten zählender Künstler aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat auf ähnliche Weise mit dreidimensionalen, unregelmäßig geformten Holzkonstrukten Wände gestaltet. Nur besitzen seine Elemente nicht jene fabulierende Kraft, die den Arbeiten von B.Chr.K.Barten innewohnt. 

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