In Monets Gartenteich

In Monets Gartenteich

Entstehungsjahr 2020 Schwarz brennender Paperclay. 36 cm x 31 cm (B x H) Bemalt mit Glasurfarben. Gebrannt bei 1020 °C                                                                    2020/21

  In Abwandlung eines Bonmots von Alexander Humboldt (Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben) bin ich als Kritiker und Kurator geneigt zu sagen Die gefährlichste aller Kunstanschauungen ist die Kunstanschauung der Leute, welche die Kunst nicht angeschaut haben.

   

   Nur im ersten Augenblick (der Begriff Augenblick ist hier ganz wörtlich zu nehmen als erster Blick des Auges) hat die in diesem Beitrag vorgestellte  Arbeit von B.C.Barten wenig gemeinsam mit z.B. jenem Relief, dass unter dem Datum 3. Juni  in diesem Blog besprochen wurde. Beim näheren Hinsehen erfasst den Kritiker einmal mehr die für viele ihrer Arbeiten typische Gefühlsmischung aus Melancholie und Hoffnung. Beim zweiten Hinsehen erkennt man auch, dass in beiden Fällen mit dem gleichen gestalterischen Grundvokabular gearbeitet wurde. Dünn ausgewalztes Tonmaterial wurde kombiniert mit linearen Formelementen. Der Einsatz der Farben vermittelt auch in dieser Arbeit einen Hauch von Wehmut, der gespeist wird von einem Gefühl der Vergänglichkeit, das aus Kuratorensicht auch dieser Wandskulptur eigen ist. Gleichzeitig entwickelt sich bei näherem Betrachten einmal mehr auch hier eine  Hoffnung oder Ahnung, dass aus dem, was vergeht, Neues erwachsen wird, auch wenn man noch nicht erkennen kann, worum es sich bei diesem Neuen handeln wird.

 

   Die Anregung zu dieser Arbeit gewann B.C.Barten aus einer Dokumentation über Claude Monet. Darin spielte der Seerosengarten, der Monet zu seinen berühmten Seerosenbildern anregte, eine dominante Rolle. Wasser, Wind, Wellen und Lichtreflexe in den Bildern dieses Gartens regten sie zu dieser Wandskulptur an.   Aus der Wahl des bildnerischen Materials und der eingesetzten Farben lässt sich allerdings nicht einmal ansatzweise etwas über die Seelenlage der Künstlerin während des Schaffensprozesses ableiten. Die im vorherigen Absatz angedeutete Interpretationsmöglichkeit sagt im besten Fall etwas über den Seelenzustand des Kritikers beim Verfassen seines Textes aus. Das Ergebnis der künstlerischen Tätigkeit findet seinen Anfang in Quellen, die den BetrachterInnen unbekannt sind und verschlossen bleiben. 

 

   Die Seelenlage der Schöpferin dieser Wandskulptur bleibt uns dabei verborgen, mithin unzugänglich. Wir können bei unseren Assoziationen nicht auf sie zurückgreifen. Bei der Betrachtung von abstrakter Kunst werden wir immer auf uns selbst zurückgeworfen. Abstrakte Kunst ist, so gesehen, in gewisser Hinsicht  eine Zumutung. Einzig der suggestive Sog, der von den Wandskulpturen auf uns einwirkt, und dem wir uns nur mit emotionaler Mühe entziehen können, gibt uns ein Gefühl der Nähe zur Künstlerin. Diese suggestive Sogwirkung reizt uns als BetrachterInnen nur allzu bald und verführt dazu, sehr früh einen wertenden Kommentar abzugeben, statt zunächst diese suggestive Kraft, die ihre Arbeiten verströmen, auf uns wirken zu lassen. Genau diese Sogwirkung macht aber den Reiz dieser Arbeit aus, die wiederum entstand durch die Sogwirkung, die von den filmischen Bildern dieses Seerosengartens für die Künstlerin ausging.

 

    Selbstreflexion ist nicht das Thema der Künstlerin. Entsprechend konsequent verweigert B.C.Barten auch dieser Arbeit einen sinngebenden Titel. Sie denkt nicht in Begriffen, sondern in Form und Farbe. Nur so vermag sie sich auszudrücken. Eine Neigung zu einer begrifflichen Erläuterung fehlt ihr völlig. Man kann sagen, ihr fehlt der Schlüssel zur verbalen Kommunikation dessen, was in ihr vorgeht. Sie bedient sich dazu bevorzugt  ihrer abstrakten Formensprache. Wir können uns also auch nicht auf erläuternde Aussagen von ihr berufen, wenn wir zu einer ihrer Wandskulpturen einen wertenden Kommentar jenseits formaler Kriterien abgeben. Entsprechend schwierig ist es für den Kritiker, ein nachvollziehbares Maß zu finden, will er bewertende Zensuren verteilen. Auch er ist auf das angewiesen, was ihm das Kunstwerk anbietet. Solche formalen Anregungen gibt es allerdings eine ganze Menge. Es beginnt mit der Oberflächenstruktur der Grundplatte, der eigentlichen Leinwand der Künstlerin. Eine Leinwand wird zunächst einmal grundiert. Eine Tonplatte wird aus einem Ballen zu einer Fläche ausgewalzt und dabei strukturiert. Schon die Grundplatte weist Unebenheiten, Vertiefungen, Dellen auf, denen als formaler Widerpart winzige Kugeln beigegeben sind. Einmal mehr hat die Künstlerin sich gegen einen klar geschnittenen Rahmen entschieden. Er ist streckenweise schief und teilweise hochgebogen. "Ordentliche" Verhältnisse drückt man anders aus. Auf diese so vorbereitete "Leinwand" sind Elemente aufgearbeitet, die bei vielen BetrachterInnen Erinnerungen an vergehende oder noch nicht zum keimenden Leben erweckte, pflanzliche Einzelteile wie herabgefallene Blätter, dünne Zweige, Fruchtkörper, Samen oder Ähnliches wachrufen. Der erinnernden Phantasie der BetrachterInnen sind hier kaum Grenzen gesetzt. Der Versuch des Kritikers, ein in Begrifflichkeiten ausgedrücktes Verständnis für diese Arbeit zu Papier zu bringen, bleibt natürlich auch ein Versuch. Gewissheit bietet er nicht. Er zeigt aber, welche Interpretationsmöglichkeiten aus der assoziativen Sogwirkung dieser Arbeit erwachsen. Lassen Sie sich also auf die Betrachtung dieser Wandskulptur ein, ohne sich von Sichtweisen Anderer irritieren zu lassen, auch nicht der des Kritikers. Allein eine aus der Betrachtung  erwachsende Freude macht diese Arbeit schon zu  einem wertvollen Beitrag im Rahmen abstrakter Kunst. Diese Freude erwächst nach Überzeugung des die Arbeiten von B.C.Barten kuratierenden Kritikers bei praktisch allen Wandskulpturen der Künstlerin. Ihre Arbeiten sind  deshalb immer des Betrachtens wert.

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