Wandskulptur

ohne Titel

Paperclay, rot brennend 29cm x 32 cm (B x H) 2020

Noch vor wenigen Jahrzehnten stand das Adjektiv „modern“ in der künstlerischen Diskussion für die formale Anstrengung, die sich in einem Kunstwerk widerspiegelte. Dieser Begriff der „Moderne“ ist in der heutigen Zeit verloren gegangen. Wir leben in der Postmoderne. Noch im 20. Jahrhundert trug die Kunst ihr Scherflein dazu bei, die Zukunft zu denken. Im neuen Jahrtausend kann davon kaum noch die Rede sein. Eines der Lieblingswörter der Jugendkultur lautet wohl nicht zufällig „echt Alter?“ Wie kann Kunst sich diesem gesellschaftlichen Zwang zum immer Schnelleren wenigstens ein wenig entziehen? B.Chr.K.Barten nutzt dazu einen scheinbar widersprüch- lichen Weg. Sie setzt in vielen ihrer Arbeiten auf ikonografische Bildersprache.

 

   Wir sind im digitalen Heute überall von Icons umgeben. Wir navigieren durch das World Wide Web mit Hilfe  von Icons. Icons greifen zurück auf uralte Zeichen, die die frühen Menschen noch vor der Schrift  entwickelten.  Icons  sind  der  direkte  Weg  irgendwohin. Schon die Höhlenmalereien etwa in Lascaux oder Altamira waren  mehr als realistische Abbilder. Wir sind heute sicher, dass es sich dabei auch um ikonografische Botschaften  oder  Aufforderungen handelte. In vielen Wandplastiken greift B.Chr.K.Barten auf diese uralte Form der schriftlichen  Kommunikation zurück, ohne dabei bewusst ikonografisch zu denken. Vermutlich liegt ihr kaum etwas ferner.  Ihre Wandplastiken wirken dennoch häufig wie Icons. So auch in dieser Wandskulptur.  Sie vermischt sich  darin  Uraltes mit Hochmodernem. Ihre Einzelsymbole sind simpel und direkt erkennbar in ihrer formalen Gestalt.  Bedeutung erlangen sie allerdings erst im Zusammenspiel aller Symbole und Einzelelemente auf ihrer  beson- deren,  keramischen  Leinwand. In ihren Arbeite findet sich so ein ganzes Alphabet von Piktogrammen, manche  mehr zweidimensional geritzt und bemalt  wie in alten Felszeichnungen, andere mehr dreidimensional.  Icons  geben Information, Anweisungen, Botschaften. Häufig fordern sie den Betrachter auch zum Handeln auf. Auf  diesem Wege treten Betrachter dieser  Wandreliefs in einen Dialog mit der Künstlerin. Diese Mischung aus  uralter Ikonografie und digitaler Symbolik erklärt sicher zum Teil den Reiz, der von diesen Wandplastiken gerade für postmoderne BetrachterInnen ausgeht.

 

   Ganz besonders augenfällig ist dies in der hier gezeigten Arbeit. Ein paar grafische Elemente, die wie Umkehrungen von Ritzzeichnungen wirken, sind kombiniert  mit kleinen Kugeln und Plättchen. Ende. Aber im Ergebnis mutet diese Wandplastik an wie die ikonografische Inkarnation eines Gottes einer mittelamerikanischen Hochkultur aus den frühen Jahren des vorigen Jahrtausends. BetrachterInnen unterbrechen ungewollt ihre an Videoclips geschulte Betrachtungsgeschwindigkeit. Die Zeit bleibt scheinbar einen Moment stehen. Wir verharren gefangen in einem Moment des Staunens, der durch keine die Zeit beschleunigende Schnitttechnik gestört wird. Wenn  wir Glück haben, versinken wir in einen Augenblick still staunenden Betrachtens  und der Erkenntnis, dass immer mehr Beats pro Minute vielleicht doch nicht alles im Leben ist. Kunst als ein Mittel zu Entschleunigung, das hat doch was.

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