Starker Kerl

   Kunstwerke werden mit unserem wichtigsten Sinnesorgan, dem Auge, aufgenommen. Das ist zunächst einmal eine wenig aussagekräftige Binsenweisheit. Dahinter verbirgt sich allerdings ein ganzer Rattenschwanz von Konsequenzen. Eine davon lautet: Kunst muss in erster Linie Augenkino bieten. Andernfalls dient sie hauptsächlich als Illustration für verbal-kognitive Gedankengebäude. Ihr eigenständiger, von einem politischen oder philosophischen Statement losgelöster Anteil tritt dann in den Hintergrund. Bestimmen in Worten ausgedrückte politische und philosophische Statements einen Ausstellungsort, so wird dieser letztlich als ein Ort ästhetischer Erfahrungen ad absurdum geführt.

 

   Die Gestaltung des Bienalebeitrags 2022 ist dafür ein besonders gutes Beispiel. "Bleibt zu hoffen, dass die archivarische Fleißarbeit von Eichhorn nun auch eine Teufelsaustreibung war. Denn man könnte den Pavillon natürlich auch mal wieder für eine Ausstellung nutzen." Mit diesen Worten kommentierte Marcus Woeller von der "Welt" den  deutschen Biennalebeitrag aus dem Jahr 2022 der Berliner Künstlerin Maria Eichhorn. 

 

   In diesem Sinne betrachtet ist der "Starke Kerl" von Brigitte Barten ein ästhetisches Vergnügen in Reinkultur. Mit ganz wenigen grafischen und farblichen Mitteln zaubert sie eine ästhetische Impression, lässt sie ihre bildnerische Idee Wirklichkeit werden. Das Ergebnis ihrer Arbeit lässt uns beim Betrachten unseren Mund ähnlich schief verziehen wie bei der dargestellten  Gestalt zu sehen. Eine schiefe Nase, eine Schmachtlocke, die über dem rechten Auge hängt, eine hoch gezogene linke Augenbraue, mehr ist nicht nötig, um uns zum Schmunzeln zu bringen. Erklärende Wort zur zusätzlichen kognitiven Vertiefung sind hier überflüssig. Manchmal macht bildende Kunst eben einfach nur Spaß. Auch das ist große Kunst.

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Kommentare: 1
  • #1

    B. Barten (Donnerstag, 31 August 2023 19:55)

    Das ist sehr treffend analysiert und beschrieben. Dankeschön