Der rote Kreis

   Bilder gab es schon lange vor der Schrift. Aus Bildern entstanden Zeichen. Die ältesten uns bekannten Schriftzeichen ähneln heutigen Piktogrammen. Bilder sind das älteste und ausdrucksstärkste menschliche Verständigungsmittel. Neue Ausdrucksmittel in der Bilder- sprache wirken dabei immer ein wenig wie eine Fremdsprache, die man erst erlernen muss. Das gilt auch für die Bildsprache von brigitte c. bARTen. Nun sind Künstler zumeist wenig gute Lehrer. Sie lassen uns nur zu gerne allein, wenn es um den Erwerb ihrer Sprache geht. Gute Kunst ist zudem nie Massenware. Das macht das Verständnis für ihre non-verbale Sprache immer auch mühsam. Spracherwerb benötigt immer auch Zeit und Bereit- schaft zur übenden Anwendung des Erlernten.

 

   Diese Aussage gilt auch für die Wandskulptur "Der Rote Kreis". brigitte c. bARTen vertritt mit dieser Wandskulptur eine bildnerische Tradition, die Betrachter häufig irgendwie an Kandinsky erinnern. Und das mit Recht, denn sie verzichtet auf jedwede Darstellung von Motiven und Objekten aus der Natur. Diese Wandskulptur erläutert die Gedankenwelt der Künstlerin auf exemplarische Weise: brigitte c. bARTen denkt abstrakt. Dabei stellt sie die Aussagekraft eines gegenstandsunabhängigen Bildes nicht in Frage.  

 

   brigitte c. bARTens Arbeit spiegelt ein klares bildnerischen Konzept. Es ergibt sich aus der Verteilung von Form und Farbe, aus dem Einsatz piktogrammatischer Einzelelemente,  aus dem elementaren bildnerischen Paar Harmonie und Kontrast, und einer betonten Nutzung grafischer Linienführung unter Ausnutzung der dritten Dimension. Summa summarum alles uralte bildnerische Mittel, entlehnt aus einer Zeit weit vor der Entwicklung der Schrift. 

 

   Diese bildnerischen Mittel setzt sie in all ihren Wandskulpturen gezielt ein. Besonders die betont dreidimensionale grafische Linienführung bringt in der hier gezeigten Wandskulptur Dynamik und Spannung in die Darstellung der statischen Farbflächen. Kandinsky untermauerte noch theoretisch seinen Verzicht auf Imitation von schon Gesehenem und von einfach Dekorativem. brigitte c. bARTen sieht für eine theoretische Rechtfertigung ihrer Arbeit keine Notwendigkeit mehr. Sie sieht sich in einer langen Reihe abstrakter Maler und als selbstverständliche Fortsetzung einer inzwischen über 100 Jahre alten Tradition in der bildenden Kunst.

 

   Mit ihrer Kunst möchte sie die Seelen der Betrachter ihrer Bilder zum Schwingen  bringen. Dies macht sie in Der Rote Kreis mit einer expressiven Kombination von Farbflächen und dynamischen Linienführungen. In die von dicken schwarzen Linien deutlich eingegrenzten Farbflächen setzt sie zusätzlich einzelne geometrisch geformte Piktogramme, die man zwar grundsätzlich kennt, deren bildnerischen Aussage in Zusammenhang dieser Wandskulptur aber von jedem Einzelnen selbst herausgefunden werden muss, denn die Welt der Malerei steht mit der realen Welt allenfalls in einem losen Kontakt. Die Verwandtschaft zu Kandinsky wird auch in diesem Sinne sichtbar.

 

   Laut Kandinsky üben Farben einen direkten Einfluss auf die Seele eines Menschen aus. brigitte c. bARTen würde das auch auf geometrische Formen wie Dreiecke, Vierecke, Kreise und deren dreidimensionalen Verwandten wie Tetraeder, Kugeln etc. ausweiten. Wie alle abstrakten Maler und Bildhauer vertraut sie dabei auf die verzaubernde Wirkung ihrer bildnerischen Elemente unter Umgehung verbal-kognitiver Erläuterungen. Der Rote Kreis ist ein aufgeschlagenenes Lehrwerk für den Erwerb der Bildersprache von brigitte c. bARTen in exemplarischer Form.

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